Wenn Sie Ihre Kinder in den Niederlanden zur Schule schicken, müssen Sie je nach deren Alter entscheiden, welche weiterführende Schule bzw. Universität sie besuchen und ob es eine private oder staatliche, nationale oder internationale Schule sein soll.
In den Niederlanden besteht Schulpflicht zwischen dem 5. und 16. Lebensjahr. Besucht das Kind keine Kita, so ist es üblich, es im Alter von zwei Jahren in einem peuterspeelzaal, entsprechend dem deutschen Kindergarten, anzumelden. Dort kann es zu Beginn dreimal pro Woche, später täglich zwischen 9 und 12 Uhr mit gleichaltrigen Kindern spielen, basteln, kochen und kleine Aufgaben lernen. Auch werden Ausflüge in nahe gelegene Wälder und Naturparks organisiert.
Mit vier Jahren kommt das Kind in die basisschool, die Grundschule, wo es zunächst jedoch die ersten zwei bis drei Jahre auch nur spielt und spielerisch an das Lernen herangeführt wird. Im Alter von sechs oder sieben Jahren, entsprechend dem individuellen kindlichen Entwicklungsstadium, beginnt das Kind in groep 3, der dritten Klasse, mit dem richtigen Lernen und erhält drei Mal pro Jahr ein Zeugnis (rapport), wovon das letzte über die Versetzung in die nächsthöhere Klasse entscheidet.
Die Unterrichtsdauer ist etwa von 8.15 bis 14.30 Uhr; einige Schulen beginnen früher oder später, auf einigen wird in der Schule zu Mittag gegessen (Butterbrot), einige schicken die Kinder mittags nach Hause. In der siebten Basisschulklasse wird der nationale entrée-toets abgenommen; ein orientierender Test, der die Fähigkeiten des Kindes überprüft, und im Jahr darauf der cito-toets – der Test, der entscheidet, auf welcher Stufe einer weiterführenden Schule der Schüler weiter studieren darf. Dieser Test ist sehr umstritten, da er so früh schon ziemlichen Leistungsdruck bedeutet und (nicht immer richtig) klassifiziert.
Schon in der 7. und 8. Basisschulklasse muss man sich selber informieren, welche weiterführende Schule man besuchen möchte. Manche Schulen verlangen einen bestimmten score im cito-toets als Aufnahmebedingung, vor allem Gymnasien.
Es gibt drei Formen der Sekundarbildung:
Berufsbildungsgänge (MBO) folgen auf einen berufsorientierenden oder allgemein bildenden Bildungsgang. Sie dauern nicht länger als vier Jahre und bieten Kurse aus den Bereichen Hauswirtschaft, Gesundheit, Landwirtschaft etc. an.
Berufliche Kurzausbildungsgänge (KMBO) bereiten Jugendliche ab 16 Jahren mit einem LBO- oder MAVO-Zeugnis auf Tätigkeiten in einfachen Bereichen vor.
Es gibt sowohl Vollzeitausbildungsgänge als auch Ausbildungen im „dualen System“, d. h. an ein oder zwei Tagen erfolgt der Unterricht, an den übrigen Tagen die praktische Arbeit im Betrieb.
Es gibt in den Niederlanden eine Vielzahl von staatlichen und privaten Schulen. Nur ein Drittel der Kinder geht auf eine staatliche Schule. Daneben gibt es konfessionelle und ethnisch-konfessionelle Schulen, Schulen mit einer bestimmten Schwerpunktverteilung im Lernsystem und Schulen mit stark ideologisch geprägtem Hintergrund wie z. B. die Waldorfschule, hier vrije school genannt. Die Kosten der Schulen variieren, die staatlichen Schulen sind kostenlos.
Neben internationalen Schulen bestehen deutsche, französische, britische, amerikanische, japanische und indonesische Schulen. Die privaten Schulen werden auch vom Staat finanziell unterstützt – sie erhalten ein Pauschalbudget.
Möchte man sein Kind auf einer bestimmten Grundschule platzieren, so empfiehlt es sich, es schon bei seiner Geburt dort anzumelden, da die Warteliste auf manchen besonders guten Schulen jahrelang ist.
Im siebten und achten Grundschuljahr erfolgt die Ausrichtung auf den weiterführenden Unterricht. Die Kinder besuchen die open dagen der verschiedenen Schulen und können dann abhängig vom Ausschlag des cito-toets die von ihnen ausgewählte höhere Schule besuchen. Die Beurteilung auf allen Schulen und der Universität erfolgt mit den Noten eins bis zehn, wobei zehn die beste Note ist und eins die schlechteste.
In den letzten zwei Jahren von HAVO und die letzten drei Jahre von VWO muss sich der Schüler für ein bestimmtes Fächerpaket entscheiden, und zwar Natur und Technik, Natur und Gesundheit, Ökonomie und Gesellschaft oder Kultur und Gesellschaft. Für die Zulassung in mehreren Studienfächern sind bestimmte Fächerpakete erforderlich. Unter Umständen können daher zuvor Beischulungen verlangt werden.
Mit dem akademischen Jahr 2002/2003 wurde in den Niederlanden offiziell die Bachelor-Master-Struktur eingeführt, welche ein international anerkanntes Diplom ist. Nach dem Masterdiplom gibt es die Möglichkeit, eine Doktorarbeit zu schreiben. Im Gegensatz zu Deutschland wird diese hier noch öffentlich in feierlichem Rahmen vor einer Kommission verteidigt.
Das Bachelor-Master-System ist aufgeteilt in Studienpunkte; ein Studienpunkt beinhaltet 28 Stunden. Es müssen 60 Studienpunkte pro Jahr erbracht werden. Verschiedene Fächer bieten unterschiedliche Studienpunkte; diese sind im Studienführer vermerkt. Gibt es zu viele Bewerber für eine Studienrichtung, so entscheidet das Los über eine bestimmte Selektion: Je höher die gemittelte Abschlussnote der weiterführenden Schule war, desto größer ist die Chance, bei der Lotterie zu gewinnen.
Eine Eigenart in der niederländischen Studentenwelt ist bei der Aufnahme in eine Studentenvereinigung die ontgroening, übersetzt „Entgrünung“ – ein Ritual, in dem der Mut und die „Reife“ eines Studenten getestet werden. Da das niederländische Studentenleben für Männer und Frauen das gemeinschaftliche Wohnen in einem Studentenhaus im Rahmen einer Studentenvereinigung kennt (nicht zu verwechseln mit Studentenheim), muss beinahe jeder Student mit solch einem Ritual rechnen. Nachdem diese Rituale nach dem Tod einiger Studenten durch absurde „Mutproben“ in Verruf gekommen sind, haben sie inzwischen etwas sanftere Formen angenommen.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus Leben und arbeiten in den Niederlanden. Klicken Sie hier, um ein Exemplar zu bestellen.